Moderne Identität und Gesellschaft: Theorien und Konzepte by Peter Lohauß

By Peter Lohauß

Identität ist zu einem dominierenden Thema der gesellschaftswissenschaftli­ chen, aber auch der politischen Debatte der neunziger Jahre geworden. An­ lässe dafür gab und gibt es mehr als genug. Das Ende der bipolaren Ordnung der Weltpolitik und des actual existierenden Sozialismus in Europa hat den wirksamsten Identitätsfigurationen gleichsam den Boden entzogen. Die fäl­ lige Neudefinition des Selbstverständnisses von Individuen, Gruppen und Nationen ist ein langwieriger historischer Prozeß - befreiend, aber auch schmerzlich. Europa erlebt den Zerfall nicht nur von Ideologien, sondern von Staaten, Nationen, Gesellschaften und Gemeinschaften und in deren Gefolge die nicht mehr für möglich gehaltene Rückkehr der kriegerischen Gewalt. Statt daß sich im Gefolge des weltweiten Sieges der Marktwirtschaft seasoned­ blemlos freiheitliche Demokratien bilden, scheint es eine wahre Renaissance des Rassismus, der patriarchalischen Gewalt, des Nationalismus und der enjoyable­ damentalistischen Religionen zu geben. Wir sind - wie W. Lepenies feststellte - in ein Zeitalter der Revisionen und der neuen Identitätsfindungen eingetreten. Es werden nicht nur geopolitische Grenzen verschoben, sondern auch die traditionellen Begrenzungen der na­ tionalen Selbstbestimmung und die Rahmen der personalen Selbstwahrneh­ mung. Eine notwendige Reaktion auf diese umstürzenden Entwicklungen, deren Tiefe und Folgen heute noch nicht abzusehen sind, ist die wachsende Intensität der wissenschaftlichen Diskussion über Themen wie die Konstruk­ tion nationaler Identität und das Phänomen der Entsäkularisierung, über die ethischen Grundlagen der Gesellschaft und Formen des gesellschaftlichen Risikos, über die Voraussetzungen der gesellschaftlichen Integration und des Zerfalls gemeinschaftlicher Zusammenhänge, über Wege der persönlichen Selbstfindung, Formen des Individualismus und Gemeinsinns.

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85) Erikson kritisiert Erziehungsmethoden und Verhaltensweisen, die in dieser Entwicklungsphase des Kindes darauf angelegt sind, im Übermaß Scham, Zweifel, Schuld- und Furchtgefühle im Kinde zu wecken. Eine Überbetonung dieser Seite führt seiner Meinung nach zu einer Reihe von pathologischen Persönlichkeitszügen: zwanghaft, geizig, kleinlich in Bezug auf Liebe, Zeit, Geld, Reinlichkeit und Unterleibsfunktionen. , 77). Auch die Dimensionen des psychosozialen Konflikts zwischen Autonomie einerseits und Scham und Zweifel andererseits sind so grundlegend, daß sie in allen späteren Lebensphasen wiederzufinden sind.

Sie verlangen das Geständnis der inneren Spaltung und den Hilferuf nach innerer Einheit durch göttliche Führung; das Bedürfnis nach deutlicheren Umrissen und Schranken des Selbst, und schließlich die Einsicht, daß das Vertrauen des Einzelnen zum gemeinsamen Glauben aller, das Mißtrauen des Einzelnen zum gemeinsam erkannten Bösen werden muß. ) Wer behauptet, religiös zu sein, müsse aus seiner Religion einen Glauben ableiten können, den er dem Kleinkind in Gestalt des Urvertrauens weitergeben kann.

Neuere Forschungen bestätigen, daß Kinder die ersten moralischen Ge- und Verbote in Bezug zu ihrer Initiative und die Durchsetzung ihrer persönlichen Interessen gegen andere setzen (Nunner-Winkler 1993). Erikson stellt die Initiative als Persönlichkeitsmerkmal in den Rahmen, die Initiative im gesellschaftlichen Wertesystem hat. Deshalb ist für ihn die Entwicklung des Gewissens im Kontext des ökonomischen Ideals marktwirtschaftlicher Gesellschaften zu sehen. ) Eine sehr viel tiefere Darstellung der Objektbeziehungen gibt Jacobson (1964).

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